Ein 35-jähriger Kameruner war vor zwei Wochen im Plötzensee ertrunken.

Ein 35-jähriger Kame­runer war vor zwei Wochen im Plöt­zensee ertrunken.

Ermitt­lungen gegen Bade­meister nach Ertrinken eines Kame­ru­ners im Plöt­zensee ein­ge­stellt

Von Paul Liszt

Polizei und Staats­an­walt­schaft sind sich sicher: Der Ver­dacht, ein Bade­meister habe einen Kame­runer absicht­lich ertrinken lassen, hat sich nicht bestä­tigt. Linke Gruppen planen wei­tere Aktionen.

Die Pres­se­mit­tei­lung von Polizei und Staats­an­walt­schaft ist ein­deutig. Die gemein­samen Ermitt­lungen haben keine Anhalts­punkte für ein schuld­haftes Ver­halten von Bade­meister Mike Z. ergeben, heißt es. Kaum zwei Wochen nach dem Tod von Aneck E. werden die Ermitt­lungs­akten in dem Fall damit geschlossen. Der 35-jährige Mann aus Kamerun war am Samstag vor zwei Wochen im Plöt­zensee baden. Als er direkt gegen­über vom dor­tigen Strandbad ins Wasser ging, geht der laut Polizei »unter erheb­li­chen Alko­hol­ein­fluss« ste­hende Nicht-Schwimmer plötz­lich unter. Zeugen ziehen ihn aus dem Wasser. Trotz sofor­tiger Reani­ma­tion und Rufen eines Not­arztes ver­stirbt der 35-Jährige.

Mike Z., Bade­meister und aus­ge­bil­deter Ret­tungs­schwimmer, ist zu dieser Zeit etwa 120 Meter von der Stelle ent­fernt mit dem Auf­stellen von Son­nen­schirmen beschäf­tigt. Von seinem Arbeits­platz besteht freie Sicht auf die Unglücks­stelle. Polizei und Staats­an­walt­schaft sind den­noch über­zeugt, dass er erst von dem Unfall erfuhr, als es zu spät war. Berichte von Augen­zeugen in einer Bou­le­vard­zei­tung hatten indes ein anderes Bild gezeichnet. »Ich habe gedacht, ich rede gegen eine Wand«, er habe ein­fach weiter gemüt­lich Son­nen­schirme auf­ge­baut», erin­nert sich ein Zeuge. Er habe beob­achtet, wie Aneck. E. unter­ging und war zum Strandbad hin­über geschwommen, um dort Hilfe zu holen. Mike Z. ver­tei­digte sich indes gegen­über der Zei­tung. Er habe nicht sehen können, was vor sich gegangen sei. Gleich­zeitig gab er jedoch an, die Per­sonen am anderen Ufer Stunden zuvor bemerkt zu haben.

Auf diesen Wider­spruch weist die linke Gruppe «Northeast Anti­fa­scists» hin, die am ver­gan­genen Freitag eine Kund­ge­bung wegen des Vor­falls orga­ni­siert hatte. Die Gruppe macht auf die Ver­gan­gen­heit des Bade­meis­ters auf­merksam: Mike Z. soll noch 2009 als Vize­or­ga­ni­sa­ti­ons­leiter für den rechts­ex­tremen Neu­köllner NPD-Kreisverband tätig gewesen sein. Im Anschluss soll er der rechts­ex­tremen Kame­rad­schaft «Freie Natio­na­listen Berlin-Mitte» ange­hört haben, die durch Angriffe auf poli­ti­sche Gegner und Migranten sowie Sach­be­schä­di­gungen auf­fiel. Fotos zeigen Z. 2010 gemeinsam mit Mit­glie­dern der Gruppe bei zwei Demons­tra­tionen in Bran­den­burg. Auf einem wei­teren Foto ist Mike Z. zu sehen, wie er seinen Arm zum «Hit­ler­gruß» hebt.

Die Anti­fa­schisten stellen jetzt die Frage, inwie­weit zwi­schen der Ver­gan­gen­heit von Z. und der von den Zeugen kri­ti­sierten zöger­li­chen Hilfe für den Afri­kaner ein Zusam­men­hang bestehen könnte. «War Ras­sismus wieder das Motiv?», hieß es auf einem Trans­pa­rent, dass vor dem Stadtbad Plöt­zensee bei einer Kund­ge­bung gezeigt wurde. In eine ähn­liche Rich­tung gingen meh­rere im Nach­gang des Vor­falls erstat­tete Straf­an­zeigen. Dem Vor­wurf, dass bei «der schein­baren Emo­tions– bzw. Moti­va­ti­ons­lo­sig­keit ein ras­sis­ti­scher Hin­ter­grund eine Rolle spielt», müsse «ange­messen und gründ­lich nach­ge­gangen werden», for­derte Dirk Ste­ge­mann von der VVN/BdA in einem Brief an die Behörden, der «nd» vor­liegt.

Schon einmal war das Strandbad Plöt­zensee in die Schlag­zeilen geraten. Ver­an­stalter eines Musik-Festivals berich­teten im Mai 2013 von ras­sis­ti­schen Äuße­rungen von Mit­ar­bei­tern des Bades, die teil­weise Klei­dungs­stücke der in der rechten Szene beliebten Mode­marke «Thor Steinar» getragen haben sollen. Auf ihrer inzwi­schen aus dem Netz ver­schwun­denen Facebook-Seite ver­öf­fent­lichten die Betreiber des Bades nach dem Tod des Kame­ru­ners eine Stel­lung­nahme. Darin bemühen sie sich, die Quellen der Ent­hül­lungen über ihren Mit­ar­beiter mit dem Hin­weis auf die Gewalt­be­reit­schaft «der Antifa» gegen­über Rechts­ex­tremen zu dis­kre­di­tieren. Der Mit­ar­beiter Z. sei 2011 nach einer Dis­tan­zie­rung von der rechts­ex­tremen Szene im Rahmen eines «stillen Aus­stei­ger­pro­gramms» des Ver­fas­sungs­schutzes ange­stellt worden, hieß es. Welche Vor­aus­set­zungen für eine Teil­nahme im Pro­gramm erfüllt werden müssen und wie die Glaub­wür­dig­keit der Dis­tan­zie­rungs­er­klä­rung über­prüft wurde, bleibt indes unklar.

Polizei und Staats­an­walt­schaft ver­knüpfen die Mel­dung zur Ein­stel­lung der Ermitt­lungen zu den Hin­ter­gründen des Todes von Aneck E. unter­dessen mit einer Emp­feh­lung: «In diesem Zusam­men­hang muss darauf hin­ge­wiesen werden, dass ein Auf­recht­er­halten der Behaup­tung, der Bade­meister habe den 35-Jährigen ertrinken lassen, den Straf­tat­be­stand der Ver­leum­dung erfüllen dürfte und mit einer ent­spre­chenden Straf­an­zeige zu rechnen ist», teilen sie mit.

Linke Gruppen und Ange­hö­rige wollen es aber nicht ein­fach so dabei belassen. Am Sonn­abend trafen sich Ange­hö­rige und Unter­stützer zu einem öffent­li­chen Gedenken an E. in Wed­ding. Wei­tere Aktionen zu dem Unglück sind in Pla­nung, heißt es.

Quelle: Neues Deutsch­land, 4. August